Einen extrem zwiespältigen Eindruck hat bei mir die Dokumentation Die Geheimnisse des perfekten Läufers hinterlassen, die gestern bei arte zu sehen war.
Zunächst kommt der "Barfuß-Papst" Daniel Lieberman zu Wort, der, arg verkürzt, seine altbekannten und grundlegenden Thesen zum aktuellen Trend "Natural Running" vortragen darf. Er erklärt die Bedeutung des (Ausdauer)Laufens als Jagd- und somit Überlebenstechnik, illustriert an Hand von Nomaden im Norden Russlands, die in Gummistiefeln(!) ihre Rentiere im Laufschritt einfangen.
Dann folgt eine Episode über äthiopische Spitzenläufer, die alle barfuß angefangen haben zu laufen, gefolgt von einer Episode über das Canadian Death Race, ein 125km langes Ausdauerrennen mit sichtbar nur beschuhten Teilnehmern. Neben der innovativen Behandlung einer Oberschenkelzerrung -einfach mit Duct-Tape den Oberschenkel abkleben (Kinder, bitte nicht zu Hause nachmachen)- wird hier die bahnbrechende Erkenntnis, daß der Mensch extrem ausdauerfähig ist, gewonnen. Bilder von Flüchtlingstrecks, wie aktuell aus Syrien, wo Mütter mit Kleinkindern ebenfalls Hunderte von Kilometer zurücklegen sind eindeutig weniger pittoresk ...
Irgendwo auf der Strecke ist dann auch der narrative Faden und die Argumentationskette verlorgen gegangen. Bei aller Sympathie, die ich dem Thema Barfuß- bzw. Natural Running entgegenbringe, so wenig hat der Film die offensichtlichen Fragen beantwortet:
Ist Barfußlaufen nicht nur ein Faktor von vielen für einen guten Ausdauerläufer? Wieso z.B. gibt es in Asien fast keine Spitzenläufer auf der Langstrecke und welche Faktoren spielen Höhe, "Mangel"ernährung in Folge von Armut und Aufstiegschance beim Erfolg der äthiopischen Läufer?
Welchen Sinn hat ein derart natürliches Laufen, wenn z.B. die meisten Läufer in Europa "unnatürlich" leben und vor allem "unnatürlich" leben wollen?
Der Film wird mehrmals im Fernsehen wiederholt und ist noch bis nächsten Donnerstag in der Mediathek von Arte zu sehen. Klick!